Tue Gutes – aber mit Plan

Unternehmen tragen Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt – und die meisten bekennen sich ausdrücklich dazu. Doch die Ansprüche an nachhaltiges Handeln steigen. Es lohnt sich, Maßnahmen strategisch zu hinterfragen.

Die Augsburger Unternehmerfamilie Fugger war im 16. Jahrhundert eine der reichsten der Welt. Gemessen an der damaligen Wirtschaftskraft hatte ihr Besitz gigantische Dimensionen – und entspräche im gegenwärtigen Europa einem Milliardenvermögen. Bis in unsere Zeit berühmt sind die Fugger jedoch nicht nur wegen ihres Erfolgs. Sie sahen ihren Profit als Verpflichtung. Unter anderem stiftete Jakob Fugger eine ganze Wohnsiedlung für Arme. Noch heute leben dort bedürftige Menschen für eine symbolische Jahresmiete von unter einem Euro.

 

Investoren und Fachkräfte erwarten mehr

Corporate Citizenship war damals noch gleichbedeutend mit Philanthropie und oft religiös begründet. Ein halbes Jahrtausend später ist die Lage deutlich komplizierter. Verantwortung für die Gemeinschaft und Umwelt zu übernehmen, wird für Unternehmen mehr und mehr zur Existenzfrage. Nicht nur die staatlichen Anforderungen wachsen, etwa durch Lieferkettengesetze und eine steigende CO2-Bepreisung. Auch Investoren interessieren sich dafür, welche sozialen und ökologischen Folgen eine längerfristige Beteiligung haben könnte – um ihre eigenen Risiken zu minimieren. Konsumentinnen und Konsumenten legen zunehmend Wert auf nachhaltige Produkte und Dienstleistungen. Und nicht zuletzt sehen viele Fachkräfte genauer hin, wo sie sich bewerben, und entscheiden sich im Zweifel für das Unternehmen, bei dem sie mit bestem Gewissen arbeiten können: Etwa die Hälfte der jungen Erwachsenen, die nach 1997 geboren wurden, betont dies laut einer aktuellen internationalen Studie. Kurz: Geld zu spenden für eine gute Sache genügt heute nicht mehr, um als vorbildliches Unternehmen zu gelten.

 

Strenge Kriterien erfüllen nur wenige

Erkannt haben das die meisten Unternehmen. Wer bekennt sich heute nicht zu Nachhaltigkeit und sozialer Fairness? Und doch zeigt eine nüchterne Bilanz der Fakten: Die Wirtschaft steht noch am Beginn einer großen Transformation. So legt etwa eine Studie des Rats für Nachhaltige Entwicklung dar, dass weniger als ein Prozent der deutschen Unternehmen nach strengen Kriterien nachhaltig agieren. Die anstehende Veränderung, heißt es in dem Bericht, sei ein langer, mehrstufiger Prozess, „beginnend mit einzelnen Initiativen bis hin zum Selbstverständnis oder der Transformation des Geschäftsmodells.“

 

Ressourcen sinnvoll einsetzen

Schritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit – dafür müssen Unternehmen ihre bestehenden Maßnahmen hinterfragen, realistisch bewerten, neue Handlungsfelder sinnvoll priorisieren und Strukturen schaffen, um ihre Pläne auch verlässlich umzusetzen. Bäume pflanzen, auf Flugreisen verzichten, Bildungsprojekte fördern: Nicht alles, was gut klingt, hat einen nennenswerten Effekt oder nutzt die Ressourcen des Unternehmens optimal. Gefragt ist ein selbstkritischer Blick. Passt eine Aktivität zum eigenen Business? Macht sie die Organisation wirklich nachhaltiger und fördert sie die Reputation der Marke?

 

UN-Ziele als Richtschnur

Um Maßnahmen strategisch zu planen und Fortschritte nachzuhalten, brauchen Unternehmen eine Environmental Social Governance (ESG). Sie umfasst die drei Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und interne Organisation und gibt dem unternehmerischen Handeln die nötige Struktur: Welche Resultate streben wir an? Wo stehen wir gerade, und wo setzen wir die nächsten Schwerpunkte? Viele Unternehmen nutzen dabei die United Nations Sustainable Development Goals als Richtschnur. Die Prioritäten können sich stark unterscheiden. Ein Automobilzulieferer wird sicher andere Themen vorrangig behandeln als ein Handelsunternehmen oder eine Investmentbank.

 

Aktionsplan für schnelle Resultate

Unabhängig davon, welche Schwerpunkte man setzt: Für eine effektive ESG sind folgende drei Aspekte besonders relevant:

Bewusstsein schaffen. Die Unternehmensführung muss die Strategie gut erklären, sie muss regelmäßig über Fortschritte informieren und immer wieder zum Mitmachen aufrufen. Um die Bedeutung der ESG-Strategie zu unterstreichen, bietet sich zum Start ein eigenes Townhall-Meeting an. Das Thema sollte dann auf allen Management-Ebenen weiter forciert werden und gerade in den ersten Monaten immer wieder auf der Agenda stehen.

 

Mitarbeitende einbinden. Beschäftigte zählen zu den zentralen Stakeholdern der nachhaltigen Transformation. Sie wollen in einem Unternehmen arbeiten, das verantwortungsbewusst handelt und glaubwürdig auftritt. Sie wollen selbst positive Effekte erleben und vorantreiben. Es ist daher zwingend erforderlich, sie an der Transformation zu beteiligen. Sei es mit einem Vorschlagswesen, sei es, dass quer durch verschiedene Bereiche Personen mit dem Thema Nachhaltigkeit betraut und dafür (teilweise) freigestellt werden.

 

Allianzen schmieden. Lieferanten und Geschäftspartner, Kommunen und Nachbarschaften, Vereine und NGOs sind sowohl Stakeholder als auch potenzielle Partner bei der Transformation. Als solche erwarten sie Transparenz – und können konstruktive Kritik beisteuern. Zum Aktionsplan muss daher gehören, einen Dialog zu starten und mögliche Kooperationen auszuloten. Kritik sollte ausdrücklich erwünscht sein, denn nur so lassen sich etwaige Konflikte auf längere Sicht lösen. Beispielsweise schafft ein Unternehmen dafür zunächst eigene Formate in einem geschützten, nichtöffentlichen Raum.

 

Wohin die Reise geht

ESG ist zweifellos eines der dicksten Bretter, die Unternehmen bohren. Darum – und entgegen seiner hohen Bedeutung – wird das Thema gerne aufgeschoben oder stiefmütterlich behandelt. In der Regel mangelt es nicht an der Veränderungsbereitschaft, sondern an geeigneten Strukturen, einer klaren und durchdachten Strategie und den verfügbaren Ressourcen. Dabei lassen sich auch mit begrenzten Mitteln Fortschritte erzielen. Unternehmen können mit einem Aktionsplan beginnen, der sich über ein Jahr erstreckt, und darauf weiter aufbauen.

 

2022-03-21, Grosse-Hornke

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