Projektrisiken sicher managen:
Wie Sie die Risikokultur des Unternehmens im Projekt-Management berücksichtigen

Risk culture project management

„No risk, no fun“ oder übertriebene Vorsicht? Die Risikokultur prägt die Art, wie umsichtig Führung und Mitarbeitende in Projekten handeln. So fördern Sie einen gesunden Umgang mit Projektrisiken.

Wird schon schiefgehen? Diesen naiven Optimismus können sich Großunternehmen in Projekten nicht leisten. Krisen-Szenarien wie das folgende sind gar nicht so selten:

Der Go-live eines IT-Systems verschiebt sich, nicht um Tage oder Wochen, sondern um etliche Monate. Grund ist ein Software-Update, das niemand auf dem Zettel hatte. Mehrere Projektteams können nicht weitermachen, und das Unternehmen sieht sich genötigt, Mitarbeitende entweder teuer zu „parken“ oder gehen zu lassen.

Wer möchte hier in der Haut der Verantwortlichen stecken?

Risikokultur beeinflusst die Erfolgschancen

Im besten Fall ist das Projektteam auf solche Szenarien vorbereitet. Risikomanagement gehört schließlich zu den Basics im Projektmanagement. Doch obwohl das in der Theorie kaum jemand anzweifelt, sieht es in der Praxis oft anders aus.

Mal werden Risiken schulterzuckend ignoriert, mal werden sie so penibel nachverfolgt, dass alles viel zu lange dauert. Beide Extreme gefährden den Erfolg des Projekts.

Welche Risikokultur finden Sie in Ihrem Projektumfeld vor? Und was können Sie im Projektmanagement unternehmen, damit alle Beteiligten mit den Risiken vernünftig umgehen?

Dazu haben wir hier die wesentlichen Dos and Don‘ts für Sie zusammengestellt.

Was kennzeichnet die Risikokultur in einem Unternehmen?

Charakteristisch für die Risikokultur sind:

1. Risikoeinstellung: Wie empfinden Führung und Mitarbeitende Projektrisiken? Wie risikoaffin oder risikoavers sind sie eingestellt?

2. Gelebte Praxis: Wie gehen Führung und Mitarbeitende im Projektalltag ganz konkret mit Risiken um?

3 herausfordernde Risikokulturen – und wie Sie damit umgehen

Die folgenden drei Kulturtypen begegnen uns in Projekten immer wieder. Selbstverständlich sind sie zugespitzt beschrieben und kommen in der Realität nie in Reinform vor. Und doch ist die Typisierung hilfreich, da das Projektmanagement je nach Umfeld sehr unterschiedlich funktioniert.

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1. Aktions-Kultur – geringes Risikobewusstsein

Einfach machen und nicht lange diskutieren – das ist typisch für eine Aktions-Kultur. Projektbeteiligte nehmen Risiken in Kauf, um schnelle Ergebnisse zu erreichen. So starten viele Initiativen ohne strukturiertes Risiko-Assessment. Mit Problemen beschäftigt sich das Team meistens erst dann, wenn sie auftreten.

Die risikoaffine Haltung gilt als unternehmerisch. Und tatsächlich hat sie ihre Stärken: Sie fördert Kreativität und ein hohes Tempo. Auf der negativen Seite stehen relativ viele gescheiterte Projekte, die unter anderen Bedingungen vielleicht zu retten gewesen wären – oder die von Anfang an nicht die beste Idee waren.

Wie können Sie in einer Aktions-Kultur das positive Denken bewahren und gleichzeitig die Erfolgschancen von Projekten steigern?

Good Practice:

  • Überzeugen Sie die Projektverantwortlichen vom Nutzen des Risikomanagements. Argumentieren Sie z.B. mit Benchmarks bzw. Erfahrungswerten aus der Branche.
  • Wann immer Sie über Risiken reden, erwähnen Sie die Chancen. Heben Sie hervor, dass Risikomanagement die Erfolgsaussichten steigert.
  • Betonen Sie den Lerneffekt: Die Reflexion über Risiken – und mögliches Scheitern – bietet die Chance, daraus zu lernen, Ergebnisse zu verbessern und noch innovativer zu werden.
  • Setzen Sie das Risikomanagement schlank auf, etwa so: Das Project Management Office (PMO) fragt einmal monatlich bei den Projektteams die Risiken ab. Diese werden dann nach bestimmten Kriterien bewertet und im monatlichen Steering Committee berichtet.
  • Das Reporting umfasst nicht die gesamte Liste der Risiken, sondern z.B. nur die „A-Risiken“ mit hoher Auswirkung und hoher Eintrittswahrscheinlichkeit.
  • Wenn möglich, Risikoreserven großzügig bemessen, d.h. bei der Planung einen größeren Puffer vorsehen, um eintretende Risiken besser abfangen zu können.

Zu vermeiden:

  • Widerstände sind erwartbar – geben Sie nicht nach, sondern wirken Sie entschieden auf einen Kompromiss hin.
  • Lassen Sie sich von Aktionismus und Hektik nicht anstecken und das Risikomanagement „schleifen“.

2. Hochsicherheits-Kultur – starke Risikoaversion

In diesem Umfeld haben Projektbeteiligte ein hohes Sicherheitsbedürfnis. Aus Sicht des Risikomanagements ist das ein Segen: Niemand stellt die Aufgabe an sich in Frage. Auf der anderen Seite können sich Entscheidungen und Prozesse viel zu lange hinziehen – so dass wichtige Vorhaben nicht richtig ins Laufen kommen oder auf Eis gelegt werden, sobald ein Weg nicht mehr sicher scheint.

Wie können Sie Hochsicherheits-Denken in Ihrem Risikomanagement berücksichtigen?

Good Practice:

  • Reden Sie von Anfang an ausführlich über Risikomanagement und präsentieren Sie einen klaren Plan, so dass sich ein Gefühl von Sicherheit einstellt und Entscheidungen schneller fallen.
  • Binden Sie Beteiligte und Stakeholder stark ein, um mit ihnen gemeinsam die Risiken zu ermitteln und zu bewerten, z.B. in einem Risikoworkshop.
  • Auch das Monitoring darf detailliert und engmaschig sein. Hier können Sie z.B. das Thema in die wöchentlichen Statusberichte aufnehmen und zusätzlich ein projektübergreifendes Issue Log führen.
  • Schaffen Sie Vertrauen durch häufige Statusmeetings im Projektteam und mit den Sponsoren, z.B. mit einem Check-in zu Beginn und einem Check-out zum Ende der Woche.

Zu vermeiden:

  • Diskussionen, die sich über mehr als zwei Wochen hinziehen, einfach aussitzen – stattdessen auf Entscheidungen hinwirken und dabei unterstützen.
  • Alarmistische Kommunikation, z.B. den Worst Case in grellen Farben ausmalen. Wichtiger ist es, über bewährte Lösungen zu reden.

3. „Bella-Figura-Kultur“ – Gesichtswahrung zählt

Hin und wieder kommt es vor, dass Projektbeteiligte und -Stakeholder der Verantwortung aus dem Weg gehen. Niemand will Energie auf das Risikomanagement verwenden. Hinweise auf Risiken werden zur Kenntnis genommen, aber eher kleingeredet oder ganz ignoriert.

Die eigenen Fortschritte präsentiert man gern in strahlendem Licht, selbst dann, wenn dieses Bild nicht der Realität entspricht. Kommt es zu Problemen, die sich nicht mehr verstecken lassen, sucht man zuerst die Schuld bei anderen oder in äußeren Umständen.

Ein schwieriges Umfeld für Ihr Projektmanagement. Was tun?

Good Practice:

  • Werben Sie beim Management um Rückendeckung für ein engmaschiges Risikomanagement. Stärken Sie das Problembewusstsein, indem Sie mit Erfahrungswerten und Benchmarks argumentieren.
  • Statusdenken ist in dieser Kultur oft stark ausgeprägt. Zeigen Sie auf, dass Risikomanagement auf die persönliche Erfolgsbilanz und damit auf den Status der Beteiligten und Stakeholder einzahlt.
  • Kommunizieren Sie klare Erwartungen an das Reporting: Bei Problemen muss die „Projekt-Ampel“ sofort auf Gelb oder Rot springen.
  • Nehmen Sie Rücksicht auf schwierige politische Situationen und diskutieren Sie kritische Punkte zunächst bilateral, bevor sie in größerer Runde besprochen werden.

Zu vermeiden:

  • Treten Sie nicht belehrend auf, sondern zeigen Sie sich unterstützend, indem Sie die Vorteile des Risikomanagements aus Sicht der einzelnen Akteure hervorheben.
  • Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Absprachen, sondern dokumentieren Sie genau, was vereinbart wurde und wer für welche Schritte verantwortlich ist.

Risikokultur – nicht zu unterschätzen

Kulturen lassen sich nicht von heute auf morgen verändern. Umso wichtiger ist es, sich im Projektmanagement anzupassen – damit die Kultur nicht zum eigenen Risiko für das Projekt wird.

23-09-2024, grosse-hornke

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