Sollen Mitarbeiter eine wichtige Veränderung im Unternehmen wirklich verstehen und auf ihren Alltag beziehen, genügt es nicht, sie über interne Medien zu informieren und Frontalveranstaltungen anzubieten. Veränderung braucht in vielen Fällen den persönlichen Dialog. Führungskräfte und Mitarbeiter brauchen Zeit, um sich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen. Hierfür bieten sich Workshops an, möglicherweise auch größere Veranstaltungen. Mitarbeiter mit unterschiedlichem Vorwissen können bei diesen Gelegenheiten Fragen klären und kommen auf denselben Stand. Gemeinsam erarbeiten die Teilnehmer, was die Änderungen für ihren Arbeitsalltag bedeuten, und erkennen ihren eigenen Vorteil darin. So entsteht ein wesentlich höheres Engagement für die neue Sache; Widerstände werden minimiert.
Wie gut das funktioniert, hängt auch davon ab, wie die Workshops organisiert sind. Unserer Erfahrung nach ist die klassische Kaskade anderen Methoden deutlich überlegen. Sie macht Führungskräfte einerseits zu Akteuren, andererseits zu Botschaftern der Veränderung. Dies ist besonders effektiv, weil die Fürsprecher des Wandels zugleich den Einfluss haben, Neuerungen in ihrem Arbeitsbereich direkt umzusetzen. Letztendlich bewirkt die Workshop-Kaskade, dass jeder Mitarbeiter dasselbe Verständnis hat, ganz gleich, auf welcher Ebene, in welchem Bereich oder welchem Land er oder sie arbeitet.
Betrachten wir ein fiktives Beispiel. Ein großes Unternehmen will die Kundenorientierung ihrer internen IT stärken. Diese soll als ein professioneller IT-Dienstleister auftreten. Bislang waren es die internen Anwender gewohnt, IT-Mitarbeiter auf Zuruf zu beauftragen („Hey-Joe-Prinzip“). Künftig soll es jedoch standardisierte Prozesse und Tools dafür geben. Für eine große Anzahl der IT-Mitarbeiter ändern sich dadurch das eigene Rollenverständnis und die tägliche Arbeitsweise. Um die IT neu auszurichten und diese Veränderung anzustoßen, setzt das Unternehmen auf eine dreistufige Workshop-Kaskade:
Stufe 1: CIO und Bereichsleiter erarbeiten eine Elevator Speech
Im Führungskräfte-Workshop beantwortet das Top Management die zentrale Fragen zur Veränderung, etwa: Warum braucht das Unternehmen die neue Ausrichtung? Und weshalb gerade jetzt? (Mehr zu den Kernfragen im Change Management erfahren Sie in unserer Prezi unter diesem Link.) In dem Workshop entwickeln die Führungskräfte eine elevator speech: prägnante Botschaften, mit denen jede Führungskraft das Vorhaben des Unternehmens in drei bis fünf Minuten erklären kann. Die Bereichsleiter erhalten zusätzlich einen Leitfaden, mit dem sie im nächsten Schritt eigene Workshops mit den Führungsteams ihrer Einheiten umsetzen können. Wenn gewünscht, können die Chefs dafür zusätzlich an einem Train-the-Trainer-Programm teilnehmen.
Ergebnis von Stufe 1: Die Top Manager haben sich selbst als Workshop-Teilnehmer mit dem Thema auseinandergesetzt und kennen das Format. Sie haben offene Fragen und kritische Punkte untereinander geklärt, bevor sie als Leitungsteam die Veränderung weiterkommunizieren. So ist gewährleistet, dass man mit einer Stimme spricht.
Stufe 2: Spezifische Botschaften für die zweite Führungsebene
In der nächsten Runde gehen die Bereichsleiter in halbtägige Workshops mit ihren jeweiligen Führungsteams. Insgesamt sind es acht Veranstaltungen. Nach einem Warm-up zum Status quo präsentieren die Topmanager die Kernbotschaften. In Gruppen reflektieren die Teilnehmer darüber, was die Veränderung für ihre Bereiche bedeutet und wo sie Herausforderungen sehen. Die Bereichsleiter beantworten anschließend Fragen. Wenn möglich, kommt auch der CIO für diese Fragerunde in die Veranstaltung. Für jede Unterorganisation entsteht eine Variante der elevator speech, zugeschnitten auf die spezifische Situation des Bereichs. Ergänzend zum Workshop spricht jeder Bereichsleiter seinen Kurzvortrag vor einer Kamera ein. Später veröffentlicht das Unternehmen diese Video-Statements im Intranet.
Stufe 3: Mitarbeiter reflektieren über die Veränderung
Jede Führungskraft der zweiten Ebene leitet mindestens einen eigenen Mitarbeiter-Workshop, gegebenenfalls unterstützt durch den Bereichsleiter. Der Ablauf ist ähnlich wie auf Stufe 2 und umfasst Warm-up, Präsentation, Gruppenarbeit und Diskussion. In Bereichen mit vielen Mitarbeitern sind die Veranstaltungen deutlich größer als auf Stufe 2. Hier kann es sinnvoll sein, im Plenum mit interaktiven Tools zu arbeiten, zum Beispiel mit dem Mentimeter, einer Smartphone-App für Sofort-Umfragen.
So einfach die Methode – ein Selbstläufer ist die Workshop-Kaskade dennoch nicht. Die folgenden Fehler sollten Sie vermeiden:
- Parallel-Welt: Wenn die Projektorganisation auf Change-Botschafter baut, die keine Führungsrolle haben, ist das eher ungünstig. In zahlreichen Projekten, die wir begleitet haben, hat es sich bewährt, dass die Führungskräfte Botschafter und Akteure des Wandels waren.
- Pseudo-Präsenz: In internationalen Organisationen stellt sich die Frage, ob es nötig ist, dass Führungskräfte für einen Workshop eine längere Reise antreten. Wir finden: ja. Online-Konferenzen können das nicht leisten – die Aufmerksamkeit ist geringer, es entsteht keine Aufbruchstimmung. Sicher erzeugen Reisen zunächst einen höheren Aufwand; sie lassen sich aber vermutlich mit weiteren Terminen verbinden. Verzichtet man darauf, ist es wahrscheinlich, dass die Kaskade nicht ins Rollen kommt.
- Keine Chefsache: Wenn die ranghöchste Führungskraft nicht mitwirkt, gibt sie damit das Signal: „Das Thema ist nicht so wichtig.“ Auf den Stufen 1 und 2 der Kaskade muss der oder die Hauptverantwortliche unbedingt Präsenz zeigen. Ja, das erfordert Zeit – es ist durchaus normal, dass ein Chef in seiner Rolle als Top-Sponsor für das Thema an mehreren Veranstaltungen teilnimmt. Dessen sollte sich das Topmanagement von Beginn an bewusst sein und dieses Konzept auch mittragen.
- Einladung zum Schwänzen: Wenn Mitarbeiter sich aussuchen können, ob sie teilnehmen, versickert die Kaskade leicht im Tagesgeschäft. Bei wichtigen Veränderungen sollten die Workshops daher für alle Mitarbeiter verpflichtend sein.
Fazit: Eine Workshop-Kaskade ist zwar zeitaufwändig und bedeutet eine gewisse Investition. Diese lohnt sich aber unbedingt, denn sie bewirkt, dass Mitarbeiter in der gesamten Organisation die neue Ausrichtung verstehen. Damit sind die Chancen sehr groß, dass sie auch gelebt wird.